Deutsche Geschichte - Ungewisse Anfänge
Das karolingische Frankenreich, das um 800 zur neuen Großmacht in Europa aufgestiegen war, zerfiel im 9. Jahrhundert in das Westfranken- und das Ostfrankenreich, die „Keimzellen“ Frankreichs und Deutschlands, wenngleich sich noch lange Zeit danach keine „deutsche Identität“ entwickelte. In Ostfranken stiegen im 10. Jahrhundert die Liudolfinger (Ottonen) auf. Sie erlangten die westliche „römische“ Kaiserwürde und legten die Grundlage für das römisch-deutsche Reich, das keinen nationalen, sondern vielmehr einen supranationalen Charakter hatte. Es wurde seit dem späten 13. Jahrhundert auch als Heiliges Römisches Reich bezeichnet und umfasste bis in die Frühe Neuzeit Reichsitalien.
Die römisch-deutschen Könige und Kaiser sahen sich im Rahmen der Translationstheorie in der Tradition des antiken Römischen Reichs. Ottonen und die nachfolgenden Herrscherhäuser der Salier und Staufer stützten sich in unterschiedlicher Ausprägung auf die Reichskirche und erhoben in Bezug auf das erneuerte Kaisertum einen universalen Geltungsanspruch. Im Verlauf des Mittelalters kam es daher wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Universalgewalten Kaisertum (Imperium) und Papsttum (Sacerdotium). Besonders ausgeprägt waren diese Konflikte während des Investiturstreits im späten 11./frühen 12. Jahrhundert, in spätstaufischer Zeit und dann noch einmal in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts.
In spätstaufischer Zeit verlor das Königtum an Macht, ebenso ging der Einfluss des Reichs im lateinischen Europa zurück. Die römisch-deutschen Könige verfügten allerdings im Gegensatz zu den westeuropäischen Königen Englands und Frankreichs ohnehin nicht über eine allzu starke zentrale Herrschaftsgewalt, vielmehr wurde der Aspekt konsenusaler Herrschaft im Verbund mit den Großen des Reiches betont. Die Stellung der zahlreichen weltlichen und geistlichen Landesherren gegenüber dem Königtum wurde im Spätmittelalter weiter gestärkt, wobei seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Kurfürsten ein exklusives Königswahlrecht beanspruchten. Die Goldene Bulle von 1356 legitimierte endgültig eine kurfürstliche Wahlmonarchie, wenngleich seit Mitte des 15. Jahrhunderts die Habsburger bis zum Ende des Reiches im Jahr 1806 fast kontinuierlich die Kaiser stellten. Das Königtum musste sich im Spätmittelalter vor allem auf die eigene Hausmachtpolitik stützen und konnte effektiv nur noch im Süden und teils dem Rheingebiet eingreifen.
Von Historikern wird das frühneuzeitliche Kaisertum des Reiches als Neuanfang und Neuaufbau angesehen und keinesfalls als Widerschein der staufischen hochmittelalterlichen Herrschaft. Denn der Widerspruch zwischen der beanspruchten Heiligkeit, dem globalen Machtanspruch des Reiches und den realen Möglichkeiten des Kaisertums war in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu deutlich geworden. Dies löste eine publizistisch unterstützte Reichsverfassungsbewegung aus, die zwar die alten „heilen Zustände“ wieder aufleben lassen sollte, letztendlich aber zu durchgreifenden Innovationen führte.
Unter den Habsburgern Maximilian I. und Karl V. kam das Kaisertum nach seinem Niedergang wieder zu Anerkennung, das Amt des Kaisers wurde fest mit der neu geschaffenen Reichsorganisation verbunden. Der Reformbewegung entsprechend initiierte Maximilian 1495 eine umfassende Reichsreform, die einen Ewigen Landfrieden, eines der wichtigsten Vorhaben der Reformbefürworter, und eine reichsweite Steuer, den Gemeinen Pfennig, vorsah. Zwar gelang es nicht vollständig, diese Reformen umzusetzen, denn von den Institutionen, die aus ihr hervorgingen, hatten nur die neugebildeten Reichskreise und das Reichskammergericht Bestand. Dennoch war die Reform die Grundlage für das neuzeitliche Reich.
Es erhielt mit ihr ein wesentlich präziseres Regelsystem und ein institutionelles Gerüst. So förderte etwa die Möglichkeit, vor dem Reichskammergericht einen Untertanenprozess gegen seine Landesherrschaft anzustrengen, friedliche Konfliktlösungen im Reich. Das nunmehr festgelegte Zusammenspiel zwischen Kaiser und Reichsständen sollte prägend für die Zukunft werden.
Sprecher: Achim Höppner
Weiteres Hörbuch: Grundtatsachen der deutschen Geschichte
https://www.youtube.com/watch?v=Q_1UqnfFL4I
Видео Deutsche Geschichte - Ungewisse Anfänge канала Setzen, Sechs!
Die römisch-deutschen Könige und Kaiser sahen sich im Rahmen der Translationstheorie in der Tradition des antiken Römischen Reichs. Ottonen und die nachfolgenden Herrscherhäuser der Salier und Staufer stützten sich in unterschiedlicher Ausprägung auf die Reichskirche und erhoben in Bezug auf das erneuerte Kaisertum einen universalen Geltungsanspruch. Im Verlauf des Mittelalters kam es daher wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Universalgewalten Kaisertum (Imperium) und Papsttum (Sacerdotium). Besonders ausgeprägt waren diese Konflikte während des Investiturstreits im späten 11./frühen 12. Jahrhundert, in spätstaufischer Zeit und dann noch einmal in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts.
In spätstaufischer Zeit verlor das Königtum an Macht, ebenso ging der Einfluss des Reichs im lateinischen Europa zurück. Die römisch-deutschen Könige verfügten allerdings im Gegensatz zu den westeuropäischen Königen Englands und Frankreichs ohnehin nicht über eine allzu starke zentrale Herrschaftsgewalt, vielmehr wurde der Aspekt konsenusaler Herrschaft im Verbund mit den Großen des Reiches betont. Die Stellung der zahlreichen weltlichen und geistlichen Landesherren gegenüber dem Königtum wurde im Spätmittelalter weiter gestärkt, wobei seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Kurfürsten ein exklusives Königswahlrecht beanspruchten. Die Goldene Bulle von 1356 legitimierte endgültig eine kurfürstliche Wahlmonarchie, wenngleich seit Mitte des 15. Jahrhunderts die Habsburger bis zum Ende des Reiches im Jahr 1806 fast kontinuierlich die Kaiser stellten. Das Königtum musste sich im Spätmittelalter vor allem auf die eigene Hausmachtpolitik stützen und konnte effektiv nur noch im Süden und teils dem Rheingebiet eingreifen.
Von Historikern wird das frühneuzeitliche Kaisertum des Reiches als Neuanfang und Neuaufbau angesehen und keinesfalls als Widerschein der staufischen hochmittelalterlichen Herrschaft. Denn der Widerspruch zwischen der beanspruchten Heiligkeit, dem globalen Machtanspruch des Reiches und den realen Möglichkeiten des Kaisertums war in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu deutlich geworden. Dies löste eine publizistisch unterstützte Reichsverfassungsbewegung aus, die zwar die alten „heilen Zustände“ wieder aufleben lassen sollte, letztendlich aber zu durchgreifenden Innovationen führte.
Unter den Habsburgern Maximilian I. und Karl V. kam das Kaisertum nach seinem Niedergang wieder zu Anerkennung, das Amt des Kaisers wurde fest mit der neu geschaffenen Reichsorganisation verbunden. Der Reformbewegung entsprechend initiierte Maximilian 1495 eine umfassende Reichsreform, die einen Ewigen Landfrieden, eines der wichtigsten Vorhaben der Reformbefürworter, und eine reichsweite Steuer, den Gemeinen Pfennig, vorsah. Zwar gelang es nicht vollständig, diese Reformen umzusetzen, denn von den Institutionen, die aus ihr hervorgingen, hatten nur die neugebildeten Reichskreise und das Reichskammergericht Bestand. Dennoch war die Reform die Grundlage für das neuzeitliche Reich.
Es erhielt mit ihr ein wesentlich präziseres Regelsystem und ein institutionelles Gerüst. So förderte etwa die Möglichkeit, vor dem Reichskammergericht einen Untertanenprozess gegen seine Landesherrschaft anzustrengen, friedliche Konfliktlösungen im Reich. Das nunmehr festgelegte Zusammenspiel zwischen Kaiser und Reichsständen sollte prägend für die Zukunft werden.
Sprecher: Achim Höppner
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