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Jean-Paul Sartre, Geschlossene Gesellschaft

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Es gehört zu den Usancen einer vermeintlich fortschrittlich gesinnten und aufgeklärten Zeit, die ihr vorhergegangenen Etappen der Aufklärung etwas herablassend zu betrachten und mit leicht arrogantem Ton die noch vorhandenen Unzulänglichkeiten zu bemängeln. Die Haltung ist verbreiteter denn je. Und das mag damit zusammenhängen, dass das Heute weiter von einer aufgeklärten Gesellschaft entfernt ist als alles, was jemals auf diesen Zustand hinarbeitete. Bei dem Besuch einer Premiere von Sartres „Geschlossene Gesellschaft“, kam mir genau diese Paradoxie in den Sinn. Ein epistemologisch glattgebügeltes Publikum sah sich mit einem Stück konfrontiert, dass 1944 in Paris uraufgeführt wurde und zu den essenziellen Beiträgen des Existentialismus auf der Bühne gehört. Die Nachbetrachtung bei Champagner und Fleischkäsebrötchen, man befand sich in Deutschlands Südwesten, förderte einiges zu Tage: Die Fähigkeit, das Stück zu lesen ist längst nicht erloschen, obwohl bei Manchem der Drang zum schnellen Urteil das Denken etwas blockierte, und die Aktualität der Höllenmetapher für das soziale Miteinander ist unübertroffen.

Sartre stellte in dem Einakter drei Individuen auf die Bühne, die von einem Kellner in ein Etablissement geleitet wurden, das sich als Hölle herausstellte. Keine Unterbrechung durch Dunkelheit, kein Entkommen. Die Vorstellung der Unsterblichkeit als Dystopie. Die Dialoge der drei Personen, zwei Frauen und ein Mann, drehen sich um das Selbstbild und kollidieren prompt mit dem Fremdbild. Es stellt sich schnell heraus, wie sehr die Lebenslüge eskortiert wird von dem Selbstbetrug, der dem Erfolg bei Ausfüllung einer Rolle zugeschrieben wird, die allerdings dem eigenen Ich von außen aufgedrängt wird. Der Selbstbetrug ist somit die erste Stufe des Unglücks. Es ist ein langer, gewundener Weg zur Freiheit, die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und den eigenen Weg zu gehen, der durchaus mit der gesellschaftlich zugedachten Rolle kollidieren kann.

In „Geschlossene Gesellschaft“ gelingt das nicht. Das ist der Grund, warum die menschliche Gemeinschaft so gut mit der Metapher der Hölle beschrieben werden kann. In dem zeitgleich entstandenen Essay „Das Sein und das Nichts“, Sartres philosophischem Hauptwerk, wird der konzeptionelle Ansatz verdeutlicht. „Die Existenz geht der Essenz voraus“, heißt es da. Das, was der Mensch aus seinem Leben macht, wiegt mehr, als das, was ihm von der Natur und den sozialen Umständen vorgegeben wird. Die Existenz, so Sartre, ist etwas zu Leistendes. Ein Satz, der der Ideologie des heutigen woken Sektierertums gleich einem Beben den Boden entzieht. Und Sartre ging noch weiter: „Der Mensch ist nicht nur verantwortlich für seine Individualität, sondern für alle Menschen.“

Damit ist sein massives politisches Engagement erklärt, das er Zeit seines Lebens an den Tag gelegt hat. Seine politischen Schriften sind genauso lesenswert wie seine Theaterstücke oder seine philosophischen Essays. Die „Geschlossene Gesellschaft“ ist nicht nur ein Schlüssel zu seinem Verständnis, sondern auch ein wunderbares Abbild unserer heutigen, in die komplexe Fremdbestimmung zurückgefallene Gesellschaft. Das Stück beschreibt nicht nur die Irritationen, die durch die Diskrepanz von Fremd- und Selbstbild entstehen, sondern sie öffnet bereits eine Tür, die auf den Korridor der eigenen Verantwortung hinweist. Die „Geschlossene Gesellschaft“, von Sartre mit der Metapher der Hölle illustriert, passt aus meiner Sicht auch als Titel des heutigen Zustands. Brisanter und aktueller geht es nicht!

Herausgeber : Rowohlt Taschenbuch (4. Mai 1987)
Sprache : Englisch
Taschenbuch : 80 Seiten
ISBN-10 : 3499157691
ISBN-13 : 978-3499157691
Originaltitel : Huis clos

Видео Jean-Paul Sartre, Geschlossene Gesellschaft канала Gerhard Mersmann
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7 апреля 2023 г. 17:17:29
00:07:13
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