Können Tote Leben retten? - Was Körperspenden für die Medizin bedeuten | MDR DOK
Am Leipziger Institut für Anatomie melden sich jährlich rund 100 Menschen, die ihren toten Körper der Wissenschaft spenden möchten. Rund 40 Leichen werden gebraucht, um Studierenden die menschliche Anatomie beizubringen. Auch Forschende benutzen menschliche Präparate, um Leiden wie Alzheimer, Krebs oder Schmerz zu ergründen. Der Dokumentarfilm befragt die Menschen, die ihre Körper spenden und diejenigen, die danach an ihnen forschen. Was bedeutet die Körperspende für die Wissenschaft und für diejenigen, die ihren Körper dafür hergeben? Welche Motive stecken dahinter? Und warum braucht es diese Art der Forschung überhaupt?
Für Roland B. ist die Sache klar: "Nach meinem Tod soll mein Körper in die Anatomie kommen. Es ist doch gut, dass die Studenten direkt an einem Toten lernen können!" So nüchtern wie der 68-Jährige schauen viele Menschen aus Leipzig auf ihr Sterben. Rund 5000 haben sich am Institut für Anatomie gemeldet, um ihren Körper der Wissenschaft zu vermachen. Prof. Ingo Bechmann leitet das Institut. Er sorgt dafür, dass rund 400 angehende Medizinnerinnen und Mediziner im Präparationskurs an 40 konservierten Leichen Zellen, Knochen und Organe genauestens studieren können. Prof. Bechmann dazu: "Es gibt viele Momente im Kurs, die zu großem Erstaunen führen. Also wenn wir zum Beispiel ins Kniegelenk hineingucken. Es hat jeder schon gehört, was es für Strukturen gibt. Aber sie dann wirklich selbst in der Pinzette zu halten … Das sind Momente, wo die Anatomie dadurch überwältigend ist, dass es hier zum Anfassen und zum Anschauen ist."
"Ich bin manchmal albern und stelle mir vor, wie ich da liege, und die Studenten schnipsen noch mal an der großen Zehe, und ich lache dann nicht mehr, denn ich bin tot", erzählt Körperspenderin Eva-Maria H., die sich vor Jahrzehnten für diesen Weg entschieden hat. Im Film berichten fünf künftige Spender und Spenderinnen von ihrem Entschluss. Alle erzählen offen, gewitzt und gefasst wie die 80-jährige Eva-Maria: "Wenn Leute, die viel klüger sind als ich, mich um Hilfe bitten, mich brauchen, dann bin ich stolz, das ist mein Beitrag!"
Dafür nehmen diese Menschen einiges auf sich. Sie verzichten auf eine schnelle Beerdigung, denn bis zu drei Jahre können die Präparate im Institut gebraucht werden. Und ist es nicht ein Tabu, so lange über der Erde zu bleiben? Vor allem für Angehörige ist das manchmal schwer auszuhalten.
Institutschef Prof. Ingo Bechmann ist Experte für Alzheimer. Er will wissen, wie sich Immunzellen im Gehirn bei beginnender Demenz verhalten. Verursachen Umweltgifte wie die breit eingesetzten Weichmacher Alzheimer? Dafür arbeitet er mit einem reichen Schatz an menschlichen Hirnpräparaten, statt wie andere Forschende Maushirne zu untersuchen: "Man braucht aber hohe Fallzahlen, um sich ein Bild zu machen und wirklich Kausalität herzustellen. Ich muss also geduldig und lange schauen." Einen Teil der Hirnpräparate betrachtet der Wissenschaftler am Mikroskop, andere Präparate werden vergleichend auf epigenetische Veränderungen und Giftstoffe untersucht. So könnte Alzheimer mit Hilfe von Körperspenden weiter entschlüsselt werden.
Es klingt unglaublich, dass heute noch längst nicht alle anatomischen Strukturen des Menschen bekannt sind! Aber es gibt immer wieder anatomische Entdeckungen, wie zum Beispiel die Faszien. In Leipzig forscht Doktorandin Dina Wiersbicki an dem Gewebe, das bis vor einigen Jahren kaum beachtet wurde. Sie vermutet, dass Fasziengewebe in der Wirbelsäule Schmerzen bereiten kann, die heute einfach noch nicht ergründet sind. Mit Hilfe von 600 feinen Schnitten durch präparierte Wirbelkörper beschreibt sie, wie die dünnen Faszienbänder aussehen und sich verhalten. Ihr Ziel ist es, das Gewebe zum Beispiel in MRT-Bildern sichtbar zu machen. Und in weiter Zukunft könnten Rückenschmerzen hoffentlich besser behandelt werden – auch durch die Körperspenden.
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Für Roland B. ist die Sache klar: "Nach meinem Tod soll mein Körper in die Anatomie kommen. Es ist doch gut, dass die Studenten direkt an einem Toten lernen können!" So nüchtern wie der 68-Jährige schauen viele Menschen aus Leipzig auf ihr Sterben. Rund 5000 haben sich am Institut für Anatomie gemeldet, um ihren Körper der Wissenschaft zu vermachen. Prof. Ingo Bechmann leitet das Institut. Er sorgt dafür, dass rund 400 angehende Medizinnerinnen und Mediziner im Präparationskurs an 40 konservierten Leichen Zellen, Knochen und Organe genauestens studieren können. Prof. Bechmann dazu: "Es gibt viele Momente im Kurs, die zu großem Erstaunen führen. Also wenn wir zum Beispiel ins Kniegelenk hineingucken. Es hat jeder schon gehört, was es für Strukturen gibt. Aber sie dann wirklich selbst in der Pinzette zu halten … Das sind Momente, wo die Anatomie dadurch überwältigend ist, dass es hier zum Anfassen und zum Anschauen ist."
"Ich bin manchmal albern und stelle mir vor, wie ich da liege, und die Studenten schnipsen noch mal an der großen Zehe, und ich lache dann nicht mehr, denn ich bin tot", erzählt Körperspenderin Eva-Maria H., die sich vor Jahrzehnten für diesen Weg entschieden hat. Im Film berichten fünf künftige Spender und Spenderinnen von ihrem Entschluss. Alle erzählen offen, gewitzt und gefasst wie die 80-jährige Eva-Maria: "Wenn Leute, die viel klüger sind als ich, mich um Hilfe bitten, mich brauchen, dann bin ich stolz, das ist mein Beitrag!"
Dafür nehmen diese Menschen einiges auf sich. Sie verzichten auf eine schnelle Beerdigung, denn bis zu drei Jahre können die Präparate im Institut gebraucht werden. Und ist es nicht ein Tabu, so lange über der Erde zu bleiben? Vor allem für Angehörige ist das manchmal schwer auszuhalten.
Institutschef Prof. Ingo Bechmann ist Experte für Alzheimer. Er will wissen, wie sich Immunzellen im Gehirn bei beginnender Demenz verhalten. Verursachen Umweltgifte wie die breit eingesetzten Weichmacher Alzheimer? Dafür arbeitet er mit einem reichen Schatz an menschlichen Hirnpräparaten, statt wie andere Forschende Maushirne zu untersuchen: "Man braucht aber hohe Fallzahlen, um sich ein Bild zu machen und wirklich Kausalität herzustellen. Ich muss also geduldig und lange schauen." Einen Teil der Hirnpräparate betrachtet der Wissenschaftler am Mikroskop, andere Präparate werden vergleichend auf epigenetische Veränderungen und Giftstoffe untersucht. So könnte Alzheimer mit Hilfe von Körperspenden weiter entschlüsselt werden.
Es klingt unglaublich, dass heute noch längst nicht alle anatomischen Strukturen des Menschen bekannt sind! Aber es gibt immer wieder anatomische Entdeckungen, wie zum Beispiel die Faszien. In Leipzig forscht Doktorandin Dina Wiersbicki an dem Gewebe, das bis vor einigen Jahren kaum beachtet wurde. Sie vermutet, dass Fasziengewebe in der Wirbelsäule Schmerzen bereiten kann, die heute einfach noch nicht ergründet sind. Mit Hilfe von 600 feinen Schnitten durch präparierte Wirbelkörper beschreibt sie, wie die dünnen Faszienbänder aussehen und sich verhalten. Ihr Ziel ist es, das Gewebe zum Beispiel in MRT-Bildern sichtbar zu machen. Und in weiter Zukunft könnten Rückenschmerzen hoffentlich besser behandelt werden – auch durch die Körperspenden.
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