Im Stich gelassen? Brennpunktschule während Corona | WDR Doku
Die Story begleitet Schüler und Lehrer der Gesamtschule Bockmühle in den letzten Wochen dieses Schuljahrs. Sie zeigt, wie Schüler um ihren Abschluss und ihre Zukunft kämpfen – und wie ihre Lehrer versuchen, die Kinder auch unter schwierigen Bedingungen nicht zu verlieren.
Lisa Bartoleit steht mit einer großen Kiste voller Papier vor einer Kirche in Essen Altendorf. Im Zehn-Minutentakt kommen Schüler vorbei, übergeben ausgefüllte Zettel und nehmen neue Aufgaben mit. Weil die Sechsklässler Anfang Mai noch nicht zur Schule kommen dürfen, findet die Materialübergabe außerhalb des Schulgeländes statt. „Unsere Schüler haben zuhause oft nur ein Handy und vielleicht eine Konsole, sie können keine Aufgaben am PC bearbeiten oder ausdrucken“, erklärt die Lehrerin der Gesamtschule Bockmühle in Essen.
Doch die fehlende Technik ist nach dem Treffen am Kirchplatz nicht die größte Sorge der Lehrerin. Manche Kinder wirken traurig, viele unmotiviert. Einige sind blass, weil sie lange nicht draußen waren, oder sie haben zugenommen. „Und die fragen ständig, wann die Schule wieder losgeht“, sagt Lisa Bartoleit. Eigentlich ist sie für ihre Schüler eine wichtige Vertrauensperson bei allen Sorgen und Problemen. „Wenn ich die jetzt anrufe oder per Messenger nachfrage, sagen viele nur: Es geht mir gut, es geht mir gut!“, so die Lehrerin. „Der persönliche Kontakt fehlt einfach und macht das, was man aufgebaut hat, teilweise auch kaputt.“
Dabei ist eine ungewöhnlich enge Beziehung zwischen Lehrern und Schülern das, was die Gesamtschule Bockmühle auszeichnet. „Wir sind eine alleinerziehende Schule“, erklärt Schulleiterin Julia Gajewski, denn viele Schüler hier hätten außer den Lehrern niemanden, der sie unterstütze. Die Schule liegt in einem armen Stadtteil im Norden des Ruhrgebiets, fast zwei Drittel der Schüler müssen von Hartz IV leben, die meisten haben einen Migrationshintergrund. Schon immer hatten es solche Kinder im deutschen Bildungssystem schwer, doch in der Corona-Krise fallen ihre Probleme besonders ins Gewicht.
Der Deutsche Lehrerverband schätzt, dass bundesweit drei Millionen Kinder – ein Viertel aller Schüler – von sozialer Benachteiligung wie einem schwierigen häuslichen Umfeld oder fehlender technischer Ausstattung betroffen sind. Hinzu kommen oft mangelnde Deutschkenntnisse. Der Verband befürchtet, dass sozial benachteiligte Schüler „in den vergangenen Wochen von jenen, die andere Voraussetzungen hatten, abgehängt wurden“, so Präsident Heinz-Peter Meidinger. Auch erste Studien legen nahe, dass die aktuelle Situation die Bildungsungerechtigkeit weiter verschärft.
Während die Sechsklässler an der Essener Gesamtschule Bockmühle zunächst noch zu Hause bleiben müssen, kommen die Zehntklässler und die Abiturienten Ende April zum ersten Mal seit sechs Wochen wieder zur Schule. Ihnen bleiben nur noch wenige Wochen bis zu den Abschlussprüfungen.
Einer der Abiturienten ist Terence Amankwah. „Ich war noch nie so schlecht auf eine Klausur vorbereitet, wie jetzt auf´s Abi“, sagt der 19-Jährige. Normalerweise fährt Terence zum Lernen in die Universität. Da kann er Computer und Drucker nutzen und vor allem hat er Ruhe. Seit die Uni geschlossen ist, versucht er, zuhause zu lernen. Doch weil die technischen Geräte fehlen, geht das Lernen nur noch handschriftlich. Außerdem teilt er ein Zimmer mit seinem jüngeren Bruder, der gerne Computerspiele zockt – da fällt die Konzentration schwer. Hinzukommt, dass er im Sportleistungskurs vor allem auf den praktischen Teil gesetzt hat. „In Basketball hätte ich sicher eine gute Note geholt“, sagt er. Doch wegen Corona fällt dieser praktische Teil aus, und stattdessen müssen die Schüler eine mündliche Prüfung machen. „Ich glaube nicht mehr, dass ich das Abi so noch schaffen kann. Ich habe echt Angst, dass die letzten zwei Jahre dann umsonst waren“, so Terence.
Wegen der Abschlussprüfungen macht sich die Zehntklässlerin Melina Teuber keine großen Sorgen, das wird sie schon irgendwie schaffen. Aber wie es dann weitergehen soll, weiß die 17-Jährige inzwischen nicht mehr. Eigentlich wollte sie ein Berufskolleg für Gestaltung besuchen. Doch das dafür notwendige Jahrespraktikum wurde vor ein paar Wochen abgesagt. Die Firma weiß nicht, ob sie die Corona-Krise überstehen wird. Jetzt hat Melina nur noch wenige Wochen Zeit, um ein neues Praktikum zu finden, damit ihre Anmeldung am Berufskolleg gültig bleibt..
#Schule #Corona #WDRDoku
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Ein Film für Die Story von Anna Herbst.
Dieser Film wurde im Jahr 2020 produziert. Alle Aussagen und Fakten entsprechen dem damaligen Stand und wurden seit dem nicht aktualisiert.
Zur ersten Doku über die Schule: https://www.youtube.com/watch?v=p4eQfxMZF_Q&t=1s
Weitere Dokus zum Thema: https://www.youtube.com/playlist?list=PLeVHoee00PXs9DuUuSohGq2GbnZZcnGJF
Видео Im Stich gelassen? Brennpunktschule während Corona | WDR Doku канала WDR Doku
Lisa Bartoleit steht mit einer großen Kiste voller Papier vor einer Kirche in Essen Altendorf. Im Zehn-Minutentakt kommen Schüler vorbei, übergeben ausgefüllte Zettel und nehmen neue Aufgaben mit. Weil die Sechsklässler Anfang Mai noch nicht zur Schule kommen dürfen, findet die Materialübergabe außerhalb des Schulgeländes statt. „Unsere Schüler haben zuhause oft nur ein Handy und vielleicht eine Konsole, sie können keine Aufgaben am PC bearbeiten oder ausdrucken“, erklärt die Lehrerin der Gesamtschule Bockmühle in Essen.
Doch die fehlende Technik ist nach dem Treffen am Kirchplatz nicht die größte Sorge der Lehrerin. Manche Kinder wirken traurig, viele unmotiviert. Einige sind blass, weil sie lange nicht draußen waren, oder sie haben zugenommen. „Und die fragen ständig, wann die Schule wieder losgeht“, sagt Lisa Bartoleit. Eigentlich ist sie für ihre Schüler eine wichtige Vertrauensperson bei allen Sorgen und Problemen. „Wenn ich die jetzt anrufe oder per Messenger nachfrage, sagen viele nur: Es geht mir gut, es geht mir gut!“, so die Lehrerin. „Der persönliche Kontakt fehlt einfach und macht das, was man aufgebaut hat, teilweise auch kaputt.“
Dabei ist eine ungewöhnlich enge Beziehung zwischen Lehrern und Schülern das, was die Gesamtschule Bockmühle auszeichnet. „Wir sind eine alleinerziehende Schule“, erklärt Schulleiterin Julia Gajewski, denn viele Schüler hier hätten außer den Lehrern niemanden, der sie unterstütze. Die Schule liegt in einem armen Stadtteil im Norden des Ruhrgebiets, fast zwei Drittel der Schüler müssen von Hartz IV leben, die meisten haben einen Migrationshintergrund. Schon immer hatten es solche Kinder im deutschen Bildungssystem schwer, doch in der Corona-Krise fallen ihre Probleme besonders ins Gewicht.
Der Deutsche Lehrerverband schätzt, dass bundesweit drei Millionen Kinder – ein Viertel aller Schüler – von sozialer Benachteiligung wie einem schwierigen häuslichen Umfeld oder fehlender technischer Ausstattung betroffen sind. Hinzu kommen oft mangelnde Deutschkenntnisse. Der Verband befürchtet, dass sozial benachteiligte Schüler „in den vergangenen Wochen von jenen, die andere Voraussetzungen hatten, abgehängt wurden“, so Präsident Heinz-Peter Meidinger. Auch erste Studien legen nahe, dass die aktuelle Situation die Bildungsungerechtigkeit weiter verschärft.
Während die Sechsklässler an der Essener Gesamtschule Bockmühle zunächst noch zu Hause bleiben müssen, kommen die Zehntklässler und die Abiturienten Ende April zum ersten Mal seit sechs Wochen wieder zur Schule. Ihnen bleiben nur noch wenige Wochen bis zu den Abschlussprüfungen.
Einer der Abiturienten ist Terence Amankwah. „Ich war noch nie so schlecht auf eine Klausur vorbereitet, wie jetzt auf´s Abi“, sagt der 19-Jährige. Normalerweise fährt Terence zum Lernen in die Universität. Da kann er Computer und Drucker nutzen und vor allem hat er Ruhe. Seit die Uni geschlossen ist, versucht er, zuhause zu lernen. Doch weil die technischen Geräte fehlen, geht das Lernen nur noch handschriftlich. Außerdem teilt er ein Zimmer mit seinem jüngeren Bruder, der gerne Computerspiele zockt – da fällt die Konzentration schwer. Hinzukommt, dass er im Sportleistungskurs vor allem auf den praktischen Teil gesetzt hat. „In Basketball hätte ich sicher eine gute Note geholt“, sagt er. Doch wegen Corona fällt dieser praktische Teil aus, und stattdessen müssen die Schüler eine mündliche Prüfung machen. „Ich glaube nicht mehr, dass ich das Abi so noch schaffen kann. Ich habe echt Angst, dass die letzten zwei Jahre dann umsonst waren“, so Terence.
Wegen der Abschlussprüfungen macht sich die Zehntklässlerin Melina Teuber keine großen Sorgen, das wird sie schon irgendwie schaffen. Aber wie es dann weitergehen soll, weiß die 17-Jährige inzwischen nicht mehr. Eigentlich wollte sie ein Berufskolleg für Gestaltung besuchen. Doch das dafür notwendige Jahrespraktikum wurde vor ein paar Wochen abgesagt. Die Firma weiß nicht, ob sie die Corona-Krise überstehen wird. Jetzt hat Melina nur noch wenige Wochen Zeit, um ein neues Praktikum zu finden, damit ihre Anmeldung am Berufskolleg gültig bleibt..
#Schule #Corona #WDRDoku
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Ein Film für Die Story von Anna Herbst.
Dieser Film wurde im Jahr 2020 produziert. Alle Aussagen und Fakten entsprechen dem damaligen Stand und wurden seit dem nicht aktualisiert.
Zur ersten Doku über die Schule: https://www.youtube.com/watch?v=p4eQfxMZF_Q&t=1s
Weitere Dokus zum Thema: https://www.youtube.com/playlist?list=PLeVHoee00PXs9DuUuSohGq2GbnZZcnGJF
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